| Pressemeldung | Nr. 15

Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur Studie "Communio Sanctorum"

Der Apostel Paulus redet in seinem ersten Brief "an die Kirche Gottes, die in Korinth ist", die Christen als "die Geheiligten in Christus Jesus" an, "berufen als Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen" (1 Kor 1,2; vgl. 2 Kor 1,1; Eph 4,12, Kol 1,12). Paulus sieht die Gemeinde von Korinth - als Kirche vor Ort - in Verbundenheit mit der ganzen Kirche, die sich "überall" als Bekenntnis- und Gottesdienstgemeinde zeigt. Nach dem Wort des Apostels ist es Jesus Christus selbst, der kraft des Heiligen Geistes die Berufung aller Christen zur Heiligkeit, ihre Einheit im Bekenntnis und ihr Leben im Glauben von innen heraus verbindet. Deshalb hat das II. Vatikanische Konzil die Frohbotschaft von der gottgeschenkten Communio in die Mitte seines Zeugnisses gestellt, wie die außerordentliche Bischofssynode 1985 hervorgehoben hat: "Die "Communio"-Ekklesiologie ist die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente." Diese Communio-Ekklesiologie bestimmt auch das katholische Grundverständnis der Ökumene, das das Konzil im Ökumenismus-Dekret (Unitatis Redintegratio) dargelegt hat. In seiner Enzyklika Ut unum sint vom 25. Mai 1995 beruft sich der Papst auf das Konzil, wenn er den Begriff der Communio auf die Ökumene anwendet: "Kostbare Frucht der Beziehung der Christen untereinander und des von ihnen geführten theologischen Dialoges ist das Wachsen der Gemeinschaft. Beides hat den Christen die Glaubenselemente bewusst gemacht, die sie gemeinsam haben" (49).Wir sehen es als einen großen Fortschritt in der Ökumene an, dass die bilaterale Arbeitsgruppe, die von der Deutschen Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) beauftragt worden ist, ihre Arbeit unter die Überschrift "Communio Sanctorum. Die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen" gestellt hat. Der Text baut auf der Studie "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" (Paderborn - Hannover 1984) auf, die gleichfalls von einer bilateralen Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der VELKD vorgelegt worden war. Dieses Dokument wurde von katholischer Seite als substantieller Beitrag zur Förderung der Ökumene gewürdigt; gleichzeitig haben wir darum gebeten, dass noch offen gebliebene und weiterführende Fragen in einer neuen Dialogphase bearbeitet werden. Ähnlich hat die Kirchenleitung der VELKD votiert und unter anderem angeregt, dass auch die Themen Papsttum und Mariologie behandelt werden sollten (Texte aus der VELKD Nr. 36). Wir begrüßen, dass die bilaterale Arbeitsgruppe mit der Studie "Communio Sanctorum" diesem Wunsch nachgekommen ist.Wie beim ersten Dokument "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" haben wir das Ergebnis des Lehrgespräches daraufhin geprüft, wie weit wir uns die in "Communio Sanctorum" gemachten Aussagen zu eigen machen können. Unsere Aufgaben sehen wir nicht darin, Detailkritik an einzelnen Formulierungen zu üben und uns in den Streit der Wissenschaft darüber einzumischen; wir konzentrieren uns darauf, die Aufgabe, das Thema, die Methode und wesentliche Ergebnisse der Studie zu bewerten. Zum einen haben wir zu prüfen, ob die katholischen Positionen, wie sie das Dokument darstellt, der katholischen Lehre entsprechen, die sich aus der Quelle der Heiligen Schrift in der lebendigen Tradition der Kirche entwickelt hat. Zum anderen sehen wir uns gehalten, die evangelischen Positionen, wie sie in "Communio Sanctorum" vorgelegt werden, daraufhin zu prüfen, ob sie einer ökumenischen Verständigung dienen können. Wir wollen dazu beitragen, die Klarheit der Begriffe zu fördern, theologische Gemeinsamkeiten präzise zu beschreiben und Unterschiede nicht zu verwischen, sondern in der gebotenen Genauigkeit zu bestimmen und zu gewichten.1. Die Aufgabe der bilateralen Kommission"Communio Sanctorum" geht von den Klärungen aus, die - auch nach unserem Urteil - in "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" erzielt worden waren. Dazu gehören die Ausführungen "über die Sichtbarkeit und Verborgenheit der Kirche, ihre Heiligkeit und Sündhaftigkeit sowie die Stellung des Kirchenrechts" (CS Vorwort S. 11). Zur Ausgangsbasis gehören ferner die Studien über das geistliche Amt und über das Herrenmahl, zu denen bereits früher die Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch lutherische Kommission wertvolle Arbeit geleistet hatte.
Dankbar begrüßen wir, dass die Arbeitsgruppe sich auf dieser Basis der Aufgabe gestellt hat, Fragen aufzunehmen, die im Anschluss an "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" von katholischer und von evangelischer Seite gestellt worden sind. Diese Fragen betreffen die "Lehre von der Heiligen Schrift"; "Begriff und Zahl der Sakramente" sowie das "Verhältnis zwischen dem Priestertum aller Gläubigen und dem kirchlichen Amt", den Petrusdienst und die Mariologie (CS Vorwort S. 11). Überdies hat sich die bilaterale Arbeitsgruppe auch neue Themen gewählt, die ins Zentrum der Ekklesiologie gehören und ökumenisch von hohem Rang sind, aber noch nicht Gegenstand eigener Erörterungen im ökumenischen Gespräch geworden waren. Dazu gehören vor allem "das Zusammenwirken unterschiedlicher Bezeugungsinstanzen beim Finden und Verkünden des Evangeliums" und "die Gemeinschaft der Heiligen über den Tod hinaus" (CS 7; vgl. Vorwort S. 11). Wir würdigen, dass die Auswahl und Formulierung der Themen auch wesentliche Anliegen der Reformation zur Sprache bringen, mit denen eine ökumenische Auseinandersetzung erforderlich ist. Wir beobachten das ernsthafte Bemühen, wechselseitig von den eigenen Standpunkten evangelischer und katholischer Theologie aus Zugänge zu der jeweils anderen Seite zu öffnen und dadurch sowohl das Proprium katholischer wie evangelischer Theologie herauszuarbeiten wie auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede differenziert zu bestimmen.Wir danken allen Mitgliedern der bilateralen Arbeitsgruppe für ihre zehnjährige Arbeit an dem Projekt. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass auch schwierige, in den bisherigen Dokumenten noch nicht explizit angesprochene Fragen wie die nach dem Wesen der Kirche und des geistlichen Amtes, auch des Papstamtes, sowie nach der Marien- und Heiligenverehrung intensiv bedacht und so einer Klärung näher gebracht worden sind. Das neue Dokument steht im engen Zusammenhang mit dem ökumenischen Dialog, der seit einer ganzen Reihe von Jahren sowohl in Deutschland als auch auf Welt-ebene geführt wird. Es nimmt starke Impulse aus verschiedenen ökumenischen Dokumenten der letzten Zeit auf. Dazu gehören die Studien des Ökumenischen Arbeitskreises "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", zu denen wir eine eigene Stellungnahme abgegeben haben; ebenfalls ist die von der Gemeinsamen römisch-katholisch/evangelisch-lutherischen Kommission auf internationaler Ebene erarbeitete Studie "Kirche und Rechtfertigung" (Paderborn - Frankfurt 1984) aufgenommen worden; nicht zuletzt bezieht sich "Communio Sanctorum" auf die am Reformationsfest 1999 in Augsburg unterzeichnete "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre". In dem ökumenischen Dialog, der sich in diesen Dokumenten niedergeschlagen hat und den sie ihrerseits angestoßen haben, sehen wir trotz aller Gegenstimmen ein wichtiges "Zeichen der Zeit" und eine ermutigende Entwicklung, die es konsequent und beharrlich weiter zu fördern gilt. Wir wissen uns darin mit den evangelischen Kirchenleitungen in Deutschland und dem Lutherischen Weltbund einig, die der "Gemeinsamen Erklärung" zugestimmt haben. Wir sind uns bewusst, dass einige Aussagen von "Communio Sanctorum" auf evangelischer Seite kontroverse Diskussionen ausgelöst haben. Wir verleihen aber der Hoffnung Ausdruck, dass die Inhalte des Dokumentes der bilateralen Arbeitsgruppe auf der Ebene nationaler wie internationaler Ökumene-Gespräche fruchtbar werden. 2. Thema und Methode2.1 Der theologische Begriff der "Communio Sanctorum"Ihre theologische Mitte finden die Darlegungen des Studiendokumentes im Nachdenken über den Satz des Apostolischen Glaubensbekenntnisses: "Ich glaube ... an die Gemeinschaft der Heiligen". Die Erinnerung an Niketas von Remesiana (+ 414) lässt den weiten Horizont, die spirituelle Tiefe und die geschichtliche Konkretion der "Communio Sanctorum" erkennen (CS 5). Communio (Koinonia) ist seit Paulus ein Leitwort der Soteriologie, aber auch der Ekklesiologie. Es hat in der nachkonziliaren Entwicklung die katholische Lehre von der Kirche von ihrer christologisch-soteriologischen Basis her stark geprägt und sich auch in ökumenischen Gesprächen als hilfreich erwiesen (CS 24). Paulus hat mit dem Begriff der Communio/Koinonia die unlösbare Verbindung zwischen dem eucharistischen und dem ekklesialen Leib Christ beschrieben (1 Kor 10,16 f). Die Gemeinschaft der Heiligen entsteht dadurch, dass Jesus "wegen unserer Verfehlungen hingegeben und wegen unserer Gerechtmachung auferweckt" worden ist (Röm 4,25). Die Gemeinschaft der Glaubenden ist nach dem Neuen Testament eine Gemeinschaft von Lebenden und Toten, von Menschen und Engeln (Apg 7,9-12; Hebr 12,12-24; Offb 4-5; 11,15-19; 12,10 ff; 15,3 ff; 19,1-10; vgl. CS 22), von der ecclesia ab Abel (vgl. Hebr 11) bis zur vollendeten Gemeinschaft des Reiches Gottes (vgl. Röm 14,17). Die bilaterale Arbeitsgruppe führt (in CS 23) die Communio-Ekklesiologie von Johannes her (17,21) auf die Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn zurück. Dies bietet die Gewähr, dass der Begriff der "Communio" (Koinonia) im Zentrum neutestamentlicher Soteriologie verankert und von dort her für die Ekklesiologie fruchtbar gemacht wird. Wir sehen darin ein wichtiges Signal, den weiteren Weg der Ökumene auf der Basis der Schrift und nach Maßgabe des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses zu bahnen. Die in "Communio Sanctorum" neu angesprochenen Fragen können von dieser Mitte aus einer ökumenisch verbindenden Antwort zugeführt werden. Das gilt auch für das wichtige Thema "Israel und Kirche", das die Arbeitsgruppe nur am Rande (CS 8.26) berührt und das die "Communio Sanctorum" wesentlich betrifft. Insbesondere der Petrusdienst, das Gebet für die Verstorbenen, die Anrufung der Heiligen und die Verehrung Marias lassen sich im Kontext einer Communio-Soteriologie und -Ekklesiologie sachgerecht diskutieren.2.2 Der differenzierte Konsens"Communio Sanctorum" diskutiert die ökumenischen Fragen unter dem leitenden Aspekt der "Spannung zwischen dem Geheimnis der Kirche und ihrer Gestalt in der Welt" (CS 7). Dieser Aspekt weist auf eine wesentliche Problemstellung ökumenischer Theologie. Er entspricht dem Reflexionsstand der theologischen Wissenschaft und nimmt die Erfahrungen der Gläubigen ernst. Er ist aus Sicht katholischer Ekklesiologie essentiell. Die Ausführungen zeigen paradigmatisch, dass und wie in der Geschichte und der Gegenwart nicht nur die "Spannung", sondern auf verschiedene Weise auch die innere Verbundenheit und Entsprechung zwischen der geschichtlichen Gestalt und dem pneumatischen Mysterium der Kirche sich gezeigt hat und zeigt."Communio Sanctorum" praktiziert die Methode des "differenzierten Konsenses", wie sie in der Studie "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" und in "Kirche und Rechtfertigung" sowie in der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" angewendet wird. Diese Methode ist besonders gut geeignet, die Ökumene auf einem Weg voranzubringen, der weder die substantiellen Gemeinsamkeiten zwischen den Konfessionen unterschätzt noch die Unterschiede relativiert, sondern sie noch einmal eigens daraufhin bewertet, ob sie kirchentrennenden Charakter haben oder nicht. 2.3 Die Heilige SchriftSchriftverständnis und Schriftgebrauch sind ein Kernthema der Ökumene. "Communio Sanctorum" gibt dem Zeugnis der Heiligen Schrift breiten Raum. Das Dokument nennt sie "Ursprungszeugnis der Wahrheit des lebendigen Gottes" (CS 46), die "letzte Norm" (CS 48), "die erste und grundlegende Bezeugungsgestalt des Wortes Gottes, ... die unüberholbare Norm für Kirche, kirchliche Verkündigung und Glauben" (CS 72; vgl. 271). Das entspricht im Grundsatz der Schrifttheologie der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum (9). Gottes Wort und das Wort der Schrift bleiben - wie der hl. Augustinus sagt - so zu unterscheiden und zu verbinden, dass "Gott durch Menschen auf Menschenart spricht, weil er, so sprechend, uns sucht" (civ.Dei VII 6,2). Dem entspricht, dass der Empfang und die Erkenntnis des Wortes Gottes in der Kirche das inspirierte Zeugnis der Heiligen Schrift von Gottes Selbstoffenbarung durch Jesus Christus in der Geschichte des Gottesvolkes voraussetzt. Es ist also sachgerecht, dass die Heilige Schrift, wie sie in "Communio Sanctorum" zur Sprache kommt, nicht vom Lebenszusammenhang der Kirche isoliert, sondern mitten in ihn hineingestellt wird, wo sie ihre normierende und orientierende Kraft entfaltet. Von einer "Selbstdurchsetzung" der Heiligen Schrift können wir in dem von der Arbeitsgruppe genannten Sinne sprechen, dass der Heilige Geist, dessen Inspiration sich die Schrift verdankt, derselbe ist, der deren Anerkennung und rechten Gebrauch in der Kirche wirkt.Die Kapitel II und III sind wesentlich an der Heiligen Schrift orientiert. Im Duktus der Studie dienen sie als theologische Grundlegung, die im Folgenden vorausgesetzt ist. Auch in den stärker systematisch und historisch orientierten Passagen steht an entscheidender Stelle die Vergewisserung über das Zeugnis der Schrift, besonders bei der Thematisierung der Rechtfertigungsbotschaft (in Kapitel V), der Darstellung der gemeinsamen Berufung aller Glaubenden, der Dienste und Ämter, nicht zuletzt des Petrusdienstes (in Kapitel VI), und bei der Erörterung der eschatologischen Grundfragen (in Kapitel VII). Weniger stark wird das Schriftzeugnis im Abschnitt über Maria, die Mutter des Herrn, herangezogen.Von großer Bedeutung ist, dass in der Aufnahme und Darstellung des exegetischen Befundes nicht sofort konfessionelle Unterschiede zutage treten, sondern ein breites Feld ökumenisch verbindender Beobachtungen und Urteile sichtbar wird. Hier zeigen sich ein weiteres Mal die Früchte der langen und reichen Geschichte gemeinsamen Schriftstudiums, sowohl auf der Ebene wissenschaftlicher Theologie, besonders der Exegese, wie auch in vielfältigen Formen "einfacher" und "geistlicher" Schriftauslegung in den Gemeinden. "Communio Sanctorum" beruft sich nicht nur auf einige wenige Schriftstellen, sondern stellt das Zeugnis der Bibel, besonders des Neuen Testaments, trotz der gebotenen Kürze in ausreichender Breite und begründeter Paradigmatik dar. Dadurch zeigt sich, wie umfassend und tragfähig die Schriftbasis für die Klärung der ökumenischen Kontroversen und für den Aufbau der Kirche ist.2.4 Die Bezeugungsinstanzen des Wortes GottesDer Hintergrund der ökumenischen Methode, die "Communio Sanctorum" anwendet, wird dort beleuchtet, wo die verschiedenen "Instanzen" beschrieben werden, in welchen die Kirche die Offenbarung Gottes empfängt, erkennt und bezeugt (CS 45-73). Wir begrüßen, dass diese "Instanzen" erstmals zum Gegenstand einer ökumenisch-theologischen Reflexion in einem Studiendokument werden."Communio Sanctorum" thematisiert die Bezeugungsinstanzen im Zusammenhang einer Reflexion über das Wort Gottes unter dem Aspekt seiner Offenbarung in Jesus Christus und seiner Bejahung im Glauben (CS 40-44). Das Zweite Vatikanische Konzil hat im zweiten Kapitel der Offenbarungskonstitution, "Die Weitergabe der göttlichen Offenbarung" (DV 7-10), die katholische Sicht dieser Zusammenhänge, geleitet von der paulinischen Theologie, eindeutig umschrieben. "Communio Sanctorum" konzentriert sich stärker auf die einzelnen Elemente. Genannt werden "die Heilige Schrift", die "Überlieferung (Tradition)", das "Zeugnis des ganzen Volkes Gottes", das "kirchliche Amt (Lehramt)" und die "Theologie".Sowohl die Nennung als auch die Gewichtung dieser "Instanzen" steht in Übereinstimmung mit der katholischen Lehre. Die grundlegende Bedeutung der Heiligen Schrift wird auch im Verhältnis zur kirchlichen Tradition so beschrieben, dass wir dem zustimmen können. Es steht gleichfalls in sachlicher Übereinstimmung mit dem Konzil, wie "Communio Sanctorum" zwischen der traditio und den traditiones unterscheidet (CS 52). Der sensus fidelium wird als "Charisma der inneren Übereinstimmung mit dem Inhalt des Glaubens" bestimmt (CS 59); ähnlich erklärt das Konzil (LG 12.35; DV 8) - unter Rückgriff auf 1 Thess 2,13 - den sensus fidelium besonders als pneumatische Kompetenz des neutestamentlichen Gottesvolkes, im Wort der Heiligen Schrift das Wort Gottes zu erkennen. Dass beim Thema Lehramt spezifische Schwierigkeiten und Möglichkeiten einer ökumenischen Einigung auftauchen, wird vom Dokument nicht verschwiegen. Wir bejahen die im Text beschriebene Aufgabe der Theologie, insbesondere stimmen wir auch der positiven Rolle zu, die der ratio für die Urteilsbildung im Glauben zukommt. Nicht zuletzt würdigen wir, dass "Communio Sanctorum" betont, die "Interaktion" jener Bezeugungsinstanzen gelinge "nur durch das Wirken des Heiligen Geistes" (CS 72). 2.5 Gemeinsame Positionen und offene FragenMit der Beschreibung des Schriftverständnisses und der verschiedenen Bezeugungsinstanzen hat die bilaterale Arbeitsgruppe ein hermeneutisches Instrumentarium dargelegt, das künftiger Arbeit gute Dienste leisten wird, weil es aus einer Theologie des geisterfüllten Wortes Gottes heraus und im Dialog mit der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion entwickelt worden ist. Wir können uns die wesentlichen Positionen von "Communio Sanctorum" zum Schrift- und Traditionsverständnis als Ausgangspunkt für die Klärung der noch offenen Probleme zu eigen machen. Die gelegentlich geäußerte Kritik, das traditionskritische Potential der Schrift werde nicht gewürdigt, greift zu kurz. Die apostolische Tradition steht nach dem Zeugnis der Schrift um der je neuen Verkündigung des Evangeliums willen unter der Verheißung der vom Geist erschlossenen Wahrheitserkenntnis und -bezeugung (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7-14). Damit wird auch die Normativität des Schriftzeugnisses in Erinnerung gerufen, während die "unterschiedlichen Entfaltungen" der Frohen Botschaft in den menschlichen Traditionen, den kulturell mitbestimmten "Lebensäußerungen der Kirche und der einzelnen Christen" durchaus je neu an der Schrift gemessen werden müssen, wie sie in der heiligen Tradition der Kirche begegnet. Klärungsbedarf in der ökumenischen Hermeneutik besteht, wie das Dokument selbst sieht, beim Lehramt. Wir betonen die pastorale Ausrichtung und den Dienstcharakter des Lehramtes, das uns übertragen worden ist. Das Vertrauen auf das Wirken des Geistes im amtlichen Lehren der Kirche schränkt die Freiheit des Geistes nicht ein, sondern dient ihr. Die lutherische Seite (CS 66) verweist auf die Confessio Augustana (CA 28, 21), wonach es den Bischöfen obliegt, "Lehre zu beurteilen und Lehre, die dem Evangelium widerspricht, zu verwerfen". Den näheren Zusammenhang mit der Aufgabe positiver Evangeliumsverkündigung und vor allem das Verhältnis zu dem, was das Lehramt der "theologischen Lehrer der Kirche, der Pfarrer und der Pfarrerinnen und der Gemeinden" genannt wird, genauer zu bestimmen, ist aus unserer Sicht eine wesentliche Voraussetzung, zu beurteilen, worin an dieser Stelle Lehrdifferenzen bestehen und wie sie zu gewichten sind.3. Die neutestamentliche BasisDie Kapitel II ("Die Kirche nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift") und III ("Gemeinschaft der Heiligen in der Liebe des dreifaltigen Gottes") von "Communio Sanctorum" sind neutestamentlich-theologisch ausgerichtet und den folgenden Erörterungen ökumenischer Fragen vorgeschaltet. Die Erhebung des neutestamentlichen Befundes dient nicht nur der historischen Vergewisserung, sondern mehr noch der theologischen Orientierung (CS 20). Zu Recht heißt es, dass der Kirche schon von ihrem Anfang her "die wesentlichen Elemente ihrer Berufung mitgegeben" sind, "die sie in der Welt unverwechselbar machen und von jeder anderen Gemeinschaft unterscheiden" (CS 21). Wir sehen in dieser Berufung sowohl die Sendung der Kirche zum Heil der Welt in der Nachfolge Jesu Christi als auch die Communio der Glaubenden in der Teilhabe am eschatologischen Heil in Jesus Christus begründet. In der Suche Jesu nach den verlorenen Schafen des Hauses Israel (Mt 10,6; 15,24), in der Berufung von Männern und Frauen in die Jüngerschaft, in der Einsetzung des Zwölferkreises, im Sterben Jesu "für die Vielen" (Mk 14,24 par. Mt 26,26), in den Erscheinungen des Auferstandenen, in der Gabe des Geistes (Apg 2,1-11) und in der Sendung der Apostel sind die entscheidenden Vorgaben gemacht, die die Kirche zur Kirche machen.3.1 Christologie und Ekklesiologie"Communio Sanctorum" sieht - in voller Übereinstimmung mit dem Gesamtzeugnis der Schrift und dem Glaubensbekenntnis der Kirche - Jesus Christus, den menschgewordenen, auf Erden wirkenden, gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn, als den "Grund" (1Kor 3,11), auf dem die Kirche aufgebaut ist (CS 9). Gleichzeitig stellt die Studie die Kirche in den Horizont des Reiches Gottes: Sie ist Kirche "auf dem Wege" (CS 11), klar unterschieden von der vollendeten Gemeinschaft im Gottesreich, und doch gleichzeitig geprägt von der Heilsgegenwart des Neuen Bundes, die Jesus verkündet hat. Diese Unterscheidung und Verbindung zwischen dem Reich Gottes und der Kirche entspricht der eschatologischen Struktur katholischer Ekklesiologie (vgl. DI 19). Ohne dass die Beziehungen eigens thematisiert würden, stimmt mit dieser christologischen und theologischen Fundierung die pneumatologische Entfaltung der Kirchenthematik zusammen, die ökumenisch von immer größerer Bedeutung wird. Sie ist in Verbindung mit der soteriologischen Fundierung die Basis aller weiteren Ausführungen über die Kirche. Das trinitarische Bekenntnis, das hier angebahnt wird, liefert im III. Kapitel den Bezugsrahmen für die biblische Explikation der "Communio Sanctorum". Mit Berufung auf das Ökumenismusdekret (UR 11) wird von beiden Seiten des Arbeitskreises festgestellt: "Höchstes Vorbild und Urbild dieses Geheimnisses [der Einheit der Kirche] ist die Einheit des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen" (CS 23). Wir sehen in diesem trinitarischen und zugleich soteriologischen Zugang die beste Voraussetzung für eine konstruktive Entwicklung der Ekklesiologie und die Lösung der ökumenischen Probleme auf diesem Gebiet.Die Bilder der Kirche im Neuen Testament, aus denen "Communio Sanctorum" kennzeichnende auswählt, sind geeignet, die trinitarische Basis und die soteriologische Ausrichtung der "Communio Sanctorum" im Schriftzeugnis zu begründen. Mit dem "wandernden Gottesvolk" (CS 26 ff), dem "Leib" und der "Braut Christi" (CS 29 ff) sowie dem "Tempel des Heiligen Geistes" (CS 32 f) sind Leitmotive gewählt, die auch in Lumen Gentium der Besinnung der katholischen Kirche auf ihren Ursprung gedient haben. Das erste arbeitet die Theozentrik, das zweite die Christozentrik, das dritte die Pneumatozentrik der Kirche heraus. Als "Volk Gottes" stellt "Communio Sanctorum" die Kirche in ihrer heilsgeschichtlichen und ihrer eschatologischen Dimension vor. Das steht in voller Übereinstimmung mit Lumen Gentium. Vom Bild des "Leibes" und der "Braut Christi" leitet CS 30 sachgerecht die "sakramentale Wirklichkeit" der Kirche ab, die sich vorzüglich in "jeder Feier des Herrenmahles" erweist. Das von Lumen Gentium betonte Wesen der Ekklesia als sacramentum mundi wird durch dieses Argument im Kern erfasst. Wir begrüßen, dass nach der Klärung von "Communio Sanctorum" die Rede von der "Sakramentalität" der Kirche auf evangelischer Seite nicht mehr als Relativierung der Christologie kritisiert, sondern als Konsequenz der Christologie verstanden wird. Die Metaphern "Haus" (CS 32) und "Tempel" (CS 33) werden herangezogen, um mit zentralen Texten des Neuen Testaments den Heiligen Geist in der Vielzahl der Gaben, im Aufbau der Kirche, in der Verkündigung der Apostel und Propheten (Eph 2,20) am Werk zu sehen. In derselben Perspektive des Geistes und im selben Bildfeld des Hauses werden im Neuen Testament von den Pastoralbriefen auch die Dienste des Bischofs (episkopos), der Ältesten (presbyteroi) und der Diakone (diakonoi) eingeführt.3.2 Die Berufung und die Lebensgestalt der Kirche"Communio Sanctorum" beschreibt die Kirche "nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift" von ihrer Berufung her (CS II. 1). Dieser Ansatz bringt sowohl den Vorrang Jesu Christi zur Geltung als auch die durch den Auferstandenen vermittelte Kontinuität des Heilswirkens Gottes in der Gemeinschaft der Nachfolgenden. Die Communio-Dimension der Kirche wird dadurch im Lichte ihrer Sendung sichtbar. So entspricht es dem Grundzug neutestamentlicher Ekklesiologie. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Kirchenkonstitution diesen Zusammenhang dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Kirche in Christus Sakrament ist für das Heil der Welt, d.h. "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (LG 1). Von dorther wird die Kirche als "Volk Gottes" (LG 9-17) beschrieben. Die Gemeinschaft der Glaubenden steht durch Jesus Christus im Dienst an der Welt und ist selbst ein Ausdruck dieses Dienstes. "Communio Sanctorum" zeichnet im Blick auf Paulus und seine Schule, auf den Ersten Petrusbrief (CS 13) und auf die Evangelien, besonders auf Matthäus und auf Lukas, im Einzelnen nach, wie die Urkirche ihre Berufung erkannt und gelebt hat. Tritt durch die Paulusbriefe die vielfältige Einheit der Ekklesia sowohl im Zusammenleben der Christen in den Gemeinden als auch im Verhältnis zwischen der Kirche "am Ort und in ihrer Gesamtheit an allen Orten" (CS 12) hervor, so durch den Ersten Petrusbrief die Christusgemeinschaft der Leidensnachfolge (CS 13), durch Matthäus die missionarische Sendung (CS 15) und durch Lukas ihr heilsgeschichtlicher Kontext (CS 16). Hier werden wichtige Orientierungspunkte ökumenisch gemeinsamer Ekklesiologie genannt, auf die sich die folgenden Konkretionen und Anwendung beziehen lassen. Aus der Berufung leitet die Arbeitsgruppe "die Lebensgestalt der Kirche" ab (II. 2). "Communio Sanctorum" konzentriert sich, wie dies evangelischer und katholischer Tradition entspricht, auf das Zeugnis (martyria), den Gottesdienst (leiturgia) und den Dienst (diakonia) als wesentliche Grundvollzüge der Kirche, die auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückgeführt werden und ihre Sendung wie ihre Gemeinschaft zutiefst bestimmen (CS 17). Ökumenisch fruchtbar ist aus unserer Sicht, dass unter demselben Titel und in derselben pneumatologischen Perspektive sowohl die verschiedenen Geistesgaben und Dienste (CS 18) als auch das "Apostelamt" und das auf seiner Grundlage sich ausbildende "Leitungsamt" zur Sprache kommen (CS 19). Die pneumatologische Grundlegung des Amtes und seine Zugehörigkeit zur "Lebensgestalt" der Kirche bewahren vor einer Isolierung der Amtstheologie; in dieser Perspektive zeichnet sich eine wesentliche Voraussetzung für eine ökumenische Verständigung ab. Bemerkenswert ist aus unserer Sicht, dass einerseits die grundlegende Bedeutung des Apostelamtes für die ganze Kirche erkannt wird (mit Eph 2,19 f), andererseits aber auch gesagt wird, dass sich deshalb ein "Leitungsamt herausbildet, das an der Autorität der Apostel teilhat und für die angemessene Weitergabe der apostolischen Tradition sorgt" (CS 19). Wir verstehen dies so, dass das kirchliche Leitungsamt, das es um der Wortverkündigung und Sakramentenspendung willen gibt, der Apostolizität der Kirche entspricht, da es kraft des Geistes die Kirche stets mit ihrem apostolischen Ursprung verbindet. Der Kanon, dessen orientierende und normierende Funktion für alle Praxis und Lehre der Kirche nicht in Zweifel steht, kann gegen das kirchliche Lehren nicht ausgespielt werden; denn zum einen ist jener ein Text, dieses aber ein personengebundenes Amt; zum anderen ist die Feststellung des Kanons ihrerseits ein Ergebnis jener kirchlichen Lehre, die in der Lehre der Apostel gründet, und eine wesentliche Aufgabe kirchlicher Lehre besteht gerade darin, die Kirche an das Wort Gottes, wie es sich grundlegend in der Schrift bezeugt, zu binden. In der Art, wie CS 19 die Linie vom "Apostelamt" zum "Leitungsamt" zieht, sehen wir, auch wenn das Stichwort nicht fällt, den Kern der successio apostolica angesprochen, die freilich nicht als eigenes Thema behandelt worden ist.3.3 Gemeinsame Positionen und offene FragenWir haben allen Grund, die Ausführungen der bilateralen Arbeitsgruppe über die "Kirche nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift" und die "Gemeinschaft der Heiligen in der Liebe des dreieinigen Gottes" positiv zu würdigen. Auf eine stärkere Einbeziehung des alttestamentlichen Kontextes ist verzichtet worden, obgleich sich von hier aus die Theologie des Gottesvolkes, der Verheißung, des Glaubens und der Gerechtigkeit noch umfassender hätte gewinnen lassen. Die bilaterale Arbeitsgruppe vermeidet in den neutestamentlich geprägten Kapiteln problematische Entgegensetzungen zwischen der vor- und der nachösterlichen Zeit ebenso wie eine Harmonisierung der verschiedenen Texte und geschichtlichen Erfahrungen. Eine vorerst offene Frage bleibt die nach der apostolischen Sukzession. Wir sind der Überzeugung, dass die in "Communio Sanctorum" beschriebenen evangelischen und katholischen Auffassungen vom Zeugnis der Schrift über die Kirche Jesu Christi eine gute Basis bilden, diese Frage künftig anzugehen. 4. Gottes Wort und SakramenteDass die Arbeitsgruppe (in Kapitel IV) die Konstituierung der "Gemeinschaft der Heiligen" durch "Wort und Sakrament" thematisiert, entspricht einer Aufgabenstellung im Anschluss an "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament". Wir begrüßen, dass auch unsere Rückfragen aufgenommen worden sind und ebenso wie die Auseinandersetzung mit evangelischen Einwänden die ökumenische Diskussion vorangetrieben haben. Die Theologie der Sakramente ist nicht zu trennen von einer Theologie des Wortes Gottes. Darüber besteht breites Einvernehmen zwischen Lutheranern und Katholiken (CS 38). 4.1 Wort Gottes und Glaube"Communio Sanctorum" versteht Offenbarung als "Selbstmitteilung Gottes in der Geschichte", deren Höhepunkt und Vollendung Jesus Christus ist (CS 40); das Ziel der Offenbarung ist die Anteilgabe der Glaubenden an jener Wahrheit, die das Heil vermittelt (CS 40 - mit dem Zitat von Joh 1,16). Dies entspricht dem heilsgeschichtlichen und offenbarungstheologischen Duktus von Dei Verbum. Es ist konsequent und aus unserer Sicht wesentlich, dass der Zusammenhang zwischen Offenbarung und Glaube sowohl hinsichtlich des Glaubensaktes (fides qua) als auch hinsichtlich des Glaubensinhaltes (fides quae) reflektiert wird (CS 41). Dieser Zusammenhang entspricht dem biblischen Glaubensverständnis. Die Arbeitsgruppe bringt die ökumenischen Klärungen des Glaubensbegriffs ein, die auf den verschiedenen Ebenen im Zuge der Rechtfertigungsdebatte erarbeitet worden sind. Mit Rekurs auf Dei Verbum 5 wird der Vollzug des Glaubens auf Gottes Gnade zurückgeführt. Der Querverweis auf Martin Luthers Kleinen Katechismus (3. Art.) dokumentiert, wie wenig an dieser Stelle Grund zum ökumenischen Dissens besteht. Derselbe Geist, der das gläubige Erkennen und das gläubige Tun bewirkt, stellt den Glaubenden in die Gemeinschaft der Kirche hinein. Glaube ist nur möglich aufgrund des "Zeugnisses der Erstzeugen" (CS 41) und zielt wiederum auf die Weitergabe des Glaubens. Aus unserer Sicht ist die ekklesiale Dimension konstitutiv für das Glaubensverständnis. Die auf evangelischer Seite stark betonte Personalität steht dazu nicht in Widerspruch, da die pneumatische Neuschöpfung des zum Glauben geführten "Ich", von der Paulus spricht (Gal 2,19 f), ja gerade durch die Eingliederung in den Leib Christi geschieht (Gal 3,26 ff). Die ekklesiale Dimension von Offenbarung und Glaube beschreibt "Communio Sanctorum" unter dem Aspekt, dass die Kirche Empfängerin der geoffenbarten Wahrheit ist (CS 43) und sie zugleich in Vollmacht zu verkünden hat (CS 44). Auf diesem Gebiet hat das Dokument "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" (13 ff) fundierte Aussagen getroffen, die CS übernehmen konnte. Die Kirche ist "Adressatin", "Trägerin" und "Vermittlerin" der Offenbarung (CS 44). Wie sie als ganze, als Gemeinschaft der Glaubenden, in der Wahrnehmung und Bezeugung der Offenbarung aktiv ist, so steht die Kirche "als Vermittlerin ... den einzelnen Glaubenden auch gegenüber" (CS 44). In gedrängter Kürze sind damit wesentliche Aspekte des katholischen Kirchenverständnisses erfasst. Mit Berufung auf Paulus (1 Kor 13,9.12) wird die Kirche zu Recht daran erinnert, dass "ihr Erkennen und Bezeugen der Wahrheit Stückwerk bleibt" (CS 44). Dass "sie immer wieder neu in die Wahrheit hineingeführt werden muss" (CS 44), liegt nach unserem Urteil nicht an einem Mangel an Gnade, der die Kirche belasten würde, sondern an der Schwachheit der Menschen in allen Gliedern des Leibes Christi, steht aber den johanneischen Abschiedsreden zufolge im Zeichen der Verheißung, dass der Heilige Geist die Kirche nicht aus der Wahrheit herausfallen lässt, sondern sie immer tiefer in die Wahrheit einführen wird (Joh 14,17.26). Sofern die evangelische Seite den Passus ebenso versteht, beschreibt er eine wesentliche Gemeinsamkeit im Verständnis der Kirche und der ihr anvertrauten Heilswahrheit. 4.2 Begriff und Zahl der SakramenteIn "Communio Sanctorum" wird gemeinsam festgestellt: Gott gebraucht im Heiligen Geist geschöpfliche Dinge, um uns in Christus "Anteil an der Gemeinschaft mit Gott zu geben" (CS 35; vgl. 75). Dies bildet die Basis für die spätere Differenzierung der Sakramententheologie auf evangelischer und katholischer Seite. Die Zitate aus der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium 59 und der Confessio Augustana 13 (in CS 36) dokumentieren, wie stark die Gemeinsamkeiten zwischen evangelischer und katholischer Theologie im Grundverständnis der Sakramente von Taufe und Eucharistie sind, zumal einvernehmlich von der "Gegenwart" Jesu Christi im Wort Gottes und in den Sakramenten die Rede ist (CS 36). Die Verhältnisbestimmungen zwischen Sakrament und Glaube sowie Sakrament und Wort, die das Dokument vornimmt, entsprechen dem katholischen Grundverständnis. Wir sehen in den Ausführungen von "Communio Sanctorum" ein Fundament für die Klärung der ökumenischen Anschlussfragen. Die bilaterale Arbeitsgruppe diskutiert sie - gemäß ihrer Zielsetzung - nicht in umfassender Breite, sondern unter dem Aspekt, wie sie die Gemeinschaft der Glaubenden prägen (CS 39). Über die "Stiftung der Sakramente" durch Jesus Christus (CS 76), über "Christus als Spender der Sakramente" (CS 77), über "das Wirken des Heiligen Geistes in den Sakramenten" (CS 78) und den "Begriff" der Sakramente (CS 79) gibt es zwischen der katholischen und der evangelischen Lehre, wie sie von der bilateralen Arbeitsgruppe definiert worden ist, wesentliche Gemeinsamkeiten. Die Zahl der Sakramente wird nach wie vor unterschiedlich bestimmt. Die Diskussion dieses Punktes wirft die Frage auf, ob die Sakramente ihrem Wesen nach als von Jesus Christus eingesetzte wirksame Heilszeichen zu verstehen sind, die Gottes Gnade wirksam vermitteln, oder lediglich als Bereicherung des subjektiven resp. gemeindlichen oder kirchlichen Glaubenslebens. Wenn diese Frage klar im ersten Sinne beantwortet wird, öffnet sich der Raum für ein ökumenisches Verständnis der Differenzierung zwischen den sacramenta maiora, Taufe und Eucharistie, und den anderen Sakramenten, die auch nach katholischer Lehre in einem essentiellen Zusammenhang mit der Taufe, dem Fundament, und der Eucharistie, der Quelle und dem Gipfel christlichen Lebens, stehen, aber in ihrer Heilswirksamkeit nicht einfach mit ihnen identisch, sondern essentiell auf bestimmte Lebens- und Glaubenssituationen des Einzelnen wie der ganzen Kirche bezogen sind. Dies wäre in weiteren Gesprächen genauer zu eruieren. In die Zukunft zu weisen scheint uns die Aussage auf evangelischer Seite, "der sakramentale Charakter des Absolutionswortes" stehe außer Frage (CS 83); überdies wird daran erinnert, dass die "Apologie" z. B. für die Ordination die Bezeichnung "Sakrament" (Apol. 13,11-17) anzuwenden erwägt und sich hinsichtlich der Zahl der Sakramente ausdrücklich nicht festlegt (Apol. 13,17; vgl. Texte aus der VELKD Nr. 42/LViG). 4.3 Die Kirche als Zeichen und Werkzeug des HeilesDie Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Kirche sei "in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (LG 1), scheint nach manchen kritischen Äußerungen die ökumenische Verständigung in der Ekklesiologie zu erschweren. "Communio Sanctorum" schafft hier erfreuliche Klarheit. Die Arbeitsgruppe kann sich auf die Vorarbeiten von "Kirche und Rechtfertigung" (118-130) stützen. Zum einen wird das katholische Verständnis der Konzilsaussage mit ihrer Christozentrik, ihrem analogen Sakramentsbegriff und ihrer Berufung, dem Heil der Menschen zu dienen, präzise bestimmt (CS 87); dass es in der Kirche bis in die höchsten Amtsträger hinauf Sünden und Sünder gibt, wird von katholischer Ekklesiologie nicht geleugnet, wohl aber wird festgehalten, dass dadurch ihr in Christus vorgegebenes Wesen nicht korrumpiert wird. Zum anderen wird die evangelische Ekklesiologie so wiedergegeben, dass die Kirche "in einem abgeleiteten Sinne ,heilsinstrumentalen' Charakter" habe: "Als Vermittlerin von Wort und Sakrament ist sie das Werkzeug, wodurch der Heilige Geist den Menschen heilig macht"; zitiert wird die Passage aus dem Großen Katechismus, wonach die Kirche "die Mutter" sei, "so einen jeglichen Christen zeugt und trägt durch das Wort Gottes" (CS 88). 4.4. Gemeinsame Positionen und offene FrageAus unserer Sicht ist mit der Frage, welche Rolle die Kirche nach Gottes Willen kraft des Geistes im Heilswerk Jesu spielt, der entscheidende Punkt der Ekklesiologie erreicht. Auch ein Konsens über das Verhältnis von Wort Gottes und Glaube und über die "Bezeugungsinstanzen" hängt letztlich von einer Einigung in diesem Punkt ab. "Communio Sanctorum" sieht die Kirche mit dem Neuen Testament als "Zeichen und Trägerin" des Heiles (CS 12), als Subjekt der Bezeugung, die das Wort Gottes hört und es lehrt, wie es ihr vom Heiligen Geist eingegeben wird (CS 42-45). Das ist der für eine ökumenische Hermeneutik entscheidende Punkt. Wir sind dankbar, dass die bilaterale Arbeitsgruppe dieses essentielle, geistgewirkte Miteinander von Gehorsam und Verkündigung, Bevollmächtigung und Sendung, Empfang und Vermittlung des Gotteswortes durch die "Gemeinschaft der Heiligen", das alter gemeinsamer Tradition von Katholiken und Lutheranern entspricht, so deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Es bleibt zu klären, ob sich die evangelische Theologie diese Sicht ganz zu eigen machen kann oder in einer Weise relativiert, dass die Diskussion über diesen Punkt von der Heiligen Schrift aus im Lichte der Konzilien und der Bekenntnisschriften neu aufgenommen werden muss.5. Gemeinschaft der aus Gnade GeheiligtenIm V. Kapitel rezipiert die bilaterale Arbeitsgruppe sowohl die Studie "Lehrverurteilung - kirchentrennend" als auch die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Sie bestätigt nicht nur deren Ergebnisse, dass es in der katholischen und lutherischen Rechtfertigungslehre viele und substantielle Gemeinsamkeiten gibt und dass die Unterschiede, die nicht zu leugnen sind, keinen kirchentrennenden Charakter haben. Sie verknüpft auch die Rechtfertigungslehre - ähnlich wie bereits "Kirche und Rechtfertigung" - stärker mit der Ekklesiologie. Dies geschieht unter dem Aspekt, dass die Kirche als "Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder" beschrieben wird (CS 90-92). 5.1 Die biblische RechtfertigungsbotschaftDie biblische Rechtfertigungsbotschaft wird in "Communio Sanctorum" breit vom Neuen Testament her entfaltet. Die Thematisierung ist ausführlicher als in der "Gemeinsamen Erklärung"; sie entspricht in den Grundlinien dem dort dokumentierten gemeinsamen Verständnis der biblischen Rechtfertigungsbotschaft. Die "Antwort der Katholischen Kirche auf die Gemeinsame Erklärung" vom 25.6.1998 nannte unter den "Perspektiven für die künftige Arbeit" (in Nr. 7) eine breitere und tiefere Erschließung des biblischen Fundamentes. Das neue Dokument leistet dafür einen wichtigen Beitrag, auch wenn der Verweis auf das Alte Testament nur sehr kurz ausgefallen ist (CS 94). Im Mittelpunkt steht Paulus als Theologe der Rechtfertigung (CS 97-102). Wir begrüßen, dass in konzentrierter Form sowohl der historische Ort als auch der theologische Stellenwert seiner Rechtfertigungslehre beschrieben werden. Die expliziten Rechtfertigungsaussagen werden in das breite Feld soteriologischer Leitmotive und Kernaussagen des Apostels eingeordnet. Der Zusammenhang der Rechtfertigung mit der Heiligung wird ebenso klar herausgestellt wie die Verbindung von Glaube und Taufe; die Gnade wird im Sinne der Barmherzigkeit Gottes wie der neuen Schöpfung dargelegt; die Heilseffektivität der Rechtfertigung kommt ebenso heraus wie ihre Ausrichtung auf das vollendete Heil des Reiches Gottes; die Kritik an den "Werken des Gesetzes" wird vor dem Missverständnis bewahrt, Paulus leugne die Notwendigkeit guter Werke, die er vielmehr als "Früchte des Geistes" (Gal 5,22 f) von den Christen einfordert. Wir sehen es als einen hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der Rechtfertigungslehre und ihrer kriteriellen Funktion an, dass CS 102 sie als eine "für die ganze Kirche verbindliche Auslegung des einen Christusevangeliums" erkennt. Sie ist nicht mit diesem Christusevangelium identisch, aber dafür unverzichtbar, seine Wahrheit zu erkennen und zu leben.Ebenso klärend ist, dass "Communio Sanctorum" die paulinische Rechtfertigungslehre in das Gesamtzeugnis des Neuen Testaments einordnet. Zum einen wird eine knappe Zusammenfassung des Heilsdienstes vorangestellt, den Jesus durch sein Wirken und sein Sterben wie seine Auferweckung leistet und auf den sich die Rechtfertigungslehre als Interpretation bezieht (CS 95-96). Zum anderen werden der paulinischen Soteriologie weitere Zeugnisse des Neuen Testaments zur Seite gestellt, die "andere Aspekte des Glaubens zum Tragen kommen" lassen (CS 103), besonders dass Matthäus auf eine Gerechtigkeit abstellt, die sich im Gericht erweisen wird (CS 104), und Lukas die Suche nach dem Verlorenen als Leitmotiv des Wirkens Jesu hervortreten lässt (CS 105). In "Communio Sanctorum" wird daran erinnert, dass die orthodoxen und die orientalischen Kirchen sich stärker durch das Johannesevangelium und den Hebräerbrief haben prägen lassen (CS 109). Zur neutestamentlichen Schriftbasis gehört, von "Communio Sanctorum" nicht ausdrücklich erwähnt, auch der Erste Johannesbrief. Er betont - in sachlicher Übereinstimmung mit Paulus (Gal 4,4-7; Röm 8,14-17) - die Gotteskindschaft der Getauften, die aus der Liebe Gottes folgt: "Wir heißen Kinder Gottes und sind es" (1 Joh 3,1). Der Erste Johannesbrief betont - auch hier sachlich mit Paulus übereinstimmend (Röm 3,24 f; 5,1-11; 8,31-39) - mit starkem Nachdruck den Primat der Gnade Gottes: "Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat" (1 Joh 4,10). Im Lichte beider Schriftstellen erkennen wir, dass die soteriologische Grundbotschaft des Neuen Testaments in der Rede von Gott besteht, der durch Jesus Christus seine ungeschuldete, zuvorkommende, neuschöpferische Gnade den Menschen so mitteilt, dass sie in seiner Gnade als neue Menschen leben können: in der Communio Sanctorum.5.2 Ekklesiologische AuswertungAuf der Basis der Heiligen Schrift bekräftigt die bilaterale Arbeitsgruppe die "fundamentale Übereinstimmung" im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft. Die Aussagen unter der Überschrift "Gemeinsam können wir sagen" (CS 111-116) verstehen wir im Sinne des stärker akzentuierten "Gemeinsam bekennen wir" der "Gemeinsamen Erklärung" (15). Auffällig ist, dass die "guten Werke" in der Zusammenfassung von "Communio Sanctorum" nicht erwähnt werden; wir gehen aber davon aus, dass sie auch von der evangelischen Seite so wie im biblischen Teil verstanden werden (CS 99). Wir wissen es zu schätzen, dass die Arbeitsgruppe einen ersten Vorstoß gemacht hat, die Rechtfertigungsbotschaft in die heutige Situation hinein neu auszusagen (CS 117-122). Die Rückbesinnung auf die Rechtfertigungsbotschaft der ganzen Schrift zeigt, auf welch breitem und tragfähigem Fundament die "Gemeinsame Erklärung" darlegen konnte, dass aufgrund der breiten Übereinstimmungen die konfessionsspezifischen Differenzen keinen kirchentrennenden Charakter mehr zu haben brauchen, wenn sie aufgrund des differenzierten Konsenses wie in der "Gemeinsamen Erklärung" ausgelegt werden (GER 41).5.3 Gemeinsame Positionen und offene FragenWir stimmen mit der Formulierung der Arbeitsgruppe überein, dass die Rechtfertigungslehre "kritischer Maßstab für die Kirche ist, ,an dem sich jederzeit überprüfen lassen muss, ob ihre Verkündigung und ihre Praxis dem, was ihr von ihrem Herrn vorgegeben ist, entspricht'" (CS 90 - mit einem Zitat aus LV I 75,29-31; vgl. GER 18). Wir verstehen dies in dem Sinne, den die offizielle "Antwort der katholischen Kirche" vom 25.6.1998 hat und den der Brief Kardinal Cassidys an Generalsekretär Noko vom 30.7.1998 erläutert: "Während für Lutheraner diese Lehre eine ganz einzigartige Bedeutung erlangt hat, muss, was die katholische Kirche betrifft, gemäß der Schrift und seit den Zeiten der Väter die Botschaft von der Rechtfertigung organisch in das Grundkriterium der ,regula fidei' einbezogen werden, nämlich das auf Christus als Mittelpunkt ausgerichtete und in der lebendigen Kirche und ihrem sakramentalen Leben verwurzelte Bekenntnis des dreieinigen Gottes". In der Perspektive der "Gemeinsamen Erklärung" stimmen wir auch dem Urteil von "Communio Sanctorum" zu (CS 92), dass die "gegenseitigen Verurteilungen" des 16. Jh. "heute ihre kirchentrennende Wirkung verloren haben; dies gilt, wie die "Gemeinsame Erklärung" sagt, für die "in dieser Erklärung" vorgelegte Lehre (GER 41), die nach unserem Urteil derjenigen von "Communio Sanctorum" sachlich entspricht. Mit der "Gemeinsamen Erklärung" (GER 41) halten wir dafür, dass die Anathemata des Trienter Konzils "nicht einfach gegenstandslos" sind, sondern "für uns die ,Bedeutung von heilsamen Warnungen'" behalten, "die wir in Lehre und Praxis zu beachten haben". Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Verbindung zwischen der Rechtfertigungslehre und der Ekklesiologie. Wenn "Communio Sanctorum" die Kirche als "Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder" (CS V. 1) definiert, können wir dem unter der Voraussetzung zustimmen, dass das (auch in CS 114) lutherischerseits stark betonte "simul iustus et peccator" unter dem Vorzeichen einer Gnaden- und Tauftheologie der neuschöpferischen Christusgemeinschaft verstanden wird, die freilich noch nicht mit der Heilsvollendung identisch ist und deshalb auch die Versuchungen zu bestehen hat, die aus der Schwäche des Fleisches (vgl. Mk 14,38) resultieren. "Dominus Iesus" hat einerseits in Erinnerung gerufen, dass die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" noch nicht alle Grundfragen der Ekklesiologie zu lösen vermochte, andererseits aber die universale Heilsbedeutung Jesu Christi und - daraus abgeleitet und unter dem klaren Primat der Christologie - auch der Kirche so zur Sprache gebracht hat, dass sich daraus Impulse auch für die ökumenische Ekklesiologie gewinnen lassen. Aufzuarbeiten bleibt, dass nach katholischen Verständnis die Rechtfertigungsbotschaft nur in einem solchen - von der Schrift vorgegebenen - Verständnis die Kirche als Schöpfung des Wortes (qua creatura verbi) konstituiert, dass auch die sakramentale Dimension des Heilsgeschehens mit ihrer Folge, der Konstituierung des amtlichen "Dienstes der Versöhnung" (2 Kor 5,18), als "notwendiger Dienst am heilsnotwendigen Evangelium" (Kirche und Rechtfertigung 196.201) begriffen wird. 6. Gemeinschaft der zum Dienst BerufenenWir begrüßen, dass "Communio Sanctorum" die "gemeinsame Berufung aller Glieder" der Kirche mit den besonderen Diensten verbindet, die in der Kirche, für die Kirche und von der Kirche geleistet werden. Damit wird ein Ansatz gewählt, dem in der katholischen Ekklesiologie die Grundstruktur von Lumen Gentium entspricht: Durch Glaube und Taufe erhalten alle Christen Anteil am dreifachen Amt Jesu Christi als Prophet, Priester und König (LG 10-12; 31; AA 3; SC 126). Dies schließt, wie wir beim Apostel Paulus sehen, eine Unterschiedlichkeit der Charismen, Berufungen und Dienste nicht aus, sondern ein (1 Kor 12,28 ff). Denn es ist der eine Gott, der eine Herr und der eine Geist, der die vielen Gnadengaben, Dienste und wirksamen Kräfte in der Kirche hervorruft (1 Kor 12,4-6); weil er allen seine Offenbarung schenkt, "damit sie anderen nützt" (1 Kor 12,7), teilt er auch "einem jeden seine besondere Gabe" zu (1 Kor 12,11; vgl. 12,29).6.1 Die gemeinsame Berufung aller GlaubendenWir begrüßen die weitreichenden Übereinstimmungen, die in der Rede vom gemeinsamen oder, wie die evangelische Seite zu sagen vorzieht, vom allgemeinen Priestertum aller Glaubenden zu finden sind. Es ist erfreulich, dass die evangelisch-lutherische Seite den einschlägigen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Taufe und Berufung zustimmen kann (LG 40,1). Umgekehrt halten wir es für richtig, dass die katholische Seite der bilateralen Arbeitsgruppe einem Votum des Lutherischen Weltbundes zugestimmt hat, dass die Taufe aus den Gläubigen durch die Eingliederung in den Leib Christi "eine universale Priesterschaft, ein Werkzeug seines liebenden Planes für die ganze Schöpfung" macht (Das lutherische Verständnis vom Amt. LWB-Studien, Genf 1982, Nr. 2). Diese Gemeinsamkeiten wurzeln in der Heiligen Schrift. Was Ex 19,5 f als Wort Gottes über die königliche Würde und priesterliche Aufgabe des aus Ägypten befreiten Gottesvolkes sagt, bezieht das Neue Testament auf die an Christus Glaubenden (1 Petr 2,5.9; vgl. Offb 1,6; 5,10). Das Motiv dient nicht der Unterscheidung verschiedener Charismen, Dienste und Ämter, sondern der Erinnerung an die gemeinsame Aufgabe aller Glaubenden, das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat zu bezeugen und so durch die Verbreitung des Glaubens der Heiligung der Welt zu dienen. "Communio Sanctorum" bestimmt präzis den bisherigen Streitpunkt der konfessionellen Diskussionen. Wir halten es für wichtig, dass die evangelische Seite die Rede vom "allgemeinen Priestertum" nicht als Infragestellung des "ordinationsgebundenen Amtes" interpretiert (CS 127), das es nach evangelischem Verständnis notwendigerweise in der Kirche gibt. Wir sehen die Intention des Zweiten Vatikanum richtig beschrieben, wenn das Studiendokument - auf der Basis von Eph 4,5 - ausführt, dass von der Gemeinsamkeit der Würde, der Berufung, des Heiles, der Liebe und des Aufbaus des Leibes Christi, die allen Glaubenden zuteil geworden ist, das kirchliche Amt des Lehrens, des Leitens und der Sakramentenspendung "umgriffen" ist (CS 128). Wir sehen das Zweite Vatikanum auch dort richtig wiedergegeben, wo die von evangelischer Seite häufig kritisierte Formulierung, das "gemeinsame Priestertum der Gläubigen ... und das Priestertum des Dienstes ... unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade" (LG 10), so gedeutet wird, dass das Priestertum des Dienstes "nicht eine graduelle Steigerung des gemeinsamen Priestertums" (CS 131) darstellt, sondern eine besondere Berufung und Begnadung für den Dienst an Wort und Sakrament. Tatsächlich spricht die katholische Kirche, die Pastoralbriefe vor Augen, in genau diesem Sinn von "Amtsgnade", die durch die sakramentale Weihe verliehen wird. Leitend für das katholische Verständnis ist das Wort des hl. Augustinus (serm. 430,1 [PL 38,1483]), das auch CS 131 zitiert: "Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ. Jenes bezeichnet das Amt, dieses die Gnade, jenes die Gefahr, dieses das Heil".Ausgezeichnet ist, dass Communio Sanctorum zum Schluss des Abschnittes die Diskussion über die priesterliche Aufgabe der Getauften nicht nur als innerkirchliches Problem der Zuordnung von Tauf- und Amtsgnade führt, sondern auf den Dienst der Kirche an der Welt bezieht (CS 133-135). Das entspricht dem Skopos der neutestamentlichen Schriftzeugnisse und den - zitierten - Dokumenten des Zweiten Vatikanum (AA 10). 6.2 Die besonderen Charismen, Dienste und Ämter nach dem Neuen TestamentDie Arbeitsgruppe gibt einen guten Überblick über die Entwicklung in der neutestamentlichen Anfangszeit, besonders auf der Spur der paulinischen Gemeinden. Wir halten es für entscheidend, dass "Communio Sanctorum" den doppelt-einen Ursprung dieser Entwicklung beschreibt (136): einerseits im Nachfolgeruf Jesu, in der Einsetzung des Zwölferkreises und der Aussendung und Bevollmächtigung der Jünger zur Evangeliumsverkündigung, andererseits im Pfingstereignis, in dem die österliche Geistmitteilung ihren Anfang genommen hat (Apg 2,1-11), sodass von Jerusalem aus bis an die Grenzen der Welt das Evangelium verkündet werden konnte (Apg 1,8). Wir sehen mit "Communio Sanctorum", dass sich in der neutestamentlichen Zeit zunächst in unterschiedlichen Formen Leitungsstrukturen herausgebildet haben. Wir betonen gemeinsam mit "Communio Sanctorum" die Begründung sowohl der Charismen und Dienste als auch der Ämter und des Ordo im Amt des Apostels, wie Paulus es in 2 Kor 5,18-20 beschreibt (CS 141). Es ist, wie das Dokument feststellt, "Dienst der Versöhnung" (2 Kor 5,18); es ist ein Dienst "an Christi Statt"; und es ist "Mitwirken an der Auferbauung der ekklesia Gottes auf Erden" (CS 141), wie Paulus auch in 1 Kor 3,10-17 darlegt. Eben wegen dieser grundlegenden Bedeutung der vom Herrn berufenen Apostel, die in der Gemeinschaft aller Apostel stehen (1 Kor 15,1-11), ist die successio apostolica ein Wesensmerkmal des kirchlichen Amtes. Wir unterscheiden wie "Communio Sanctorum" zwischen dem, was die Apostel als "Augenzeugen des Auferstandenen" (ebd.), die Christus als den Grund der Kirche gelegt haben (1 Kor 3,11), einmalig, und dem, was sie als Missionare, Lehrer, Gemeindeleiter erstmalig getan haben und worin sie Nachfolger haben müssen, damit die Verkündigung des Evangeliums weiter gehen kann. Dies kann nur dann gelingen, wenn in dieser späteren Zeit die Einmaligkeit und die Vorbildlichkeit des Dienstes der Apostel gewahrt bleiben. Der Apostel Paulus trifft in seinen Briefen allerdings auch mit großem Bedacht Vorsorge für die Verkündigung des Evangeliums in den Gemeinden während seiner Abwesenheit. In diesem Zusammenhang erkennen wir in der Feststellung des Apostels, dass "Gott in der Kirche (ekklesia) eingesetzt hat erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer" (1 Kor 12,28) die apostolische Grundlage zur Ausbildung kirchlicher Ämter (vgl. CS 137). Der Epheserbrief blickt bereits auf die Gründungszeit der Kirche, die durch den Dienst der Apostel und Propheten geprägt war (vgl. Eph 2,20), zurück und sieht auf ihrem Fundament nun die "Evangelisten, Hirten und Lehrer" weiter am Haus der Kirche bauen (Eph 4,7-16). Einerseits klärt er, dass der Dienst der vollmächtigen Evangeliumsverkündigung in Wort und Zeichen auch in der nachapostolischen Zeit getan werden muss; andererseits, dass dies nur geschehen kann, weil der erhöhte Christus seiner Kirche diese Ämter als Gnadengaben (Charismen) gibt (CS 138). Wir halten über die in "Communio Sanctorum" genannten Schrifttexte hinaus auch den Bericht der Apostelgeschichte von der Abschiedsrede des Paulus in Milet für grundlegend: Paulus, seinen Tod vor Augen, setzt, um Vorsorge für die Zeit danach zu treffen, die ephesinischen Presbyter als Episkopen ein, "damit sie als Hirten für die Kirche Gottes sorgen" (Apg 20,28). Die Handauflegung ist in den Pastoralbriefen ein Zeichen dafür, dass der Heilige Geist am Werk ist, wenn beim Übergang von einer Generation zur nächsten die Kontinuität der Evangeliumsverkündigung, das Festhalten an der Wahrheit und die Reinheit der Lehre nicht zuletzt auch durch bevollmächtigte, qualifizierte und glaubwürdige Lehrer und Leiter der Kirche gewährleistet wird (1 Tim 4,14 ff; 2 Tim 1,6). Zwar nicht in einer der neutestamentlichen Schriften, wohl aber - von "Communio Sanctorum" nicht angeführt - im Ersten Clemensbrief wird im Bild der "Kette" ein abgerundetes Gesamtbild sichtbar von der Sendung Jesu Christi über die Sendung der Apostel durch Jesus Christus zur Einsetzung "von Bischöfen und Diakonen für die künftigen Gläubigen" (42,1-5). Wir sehen in dieser Weitergabe der Sendung eine Sukzession, die der römische Brief als verbindliche Tradition für die Auslegung der neutestamentlichen Schriften in ihrer Gesamtheit bezeugt. Umgekehrt lesen wir den Ersten Clemensbrief im Licht des neutestamentlichen Kanons und beziehen die apostolische Sukzession auf die ekklesiale, christologisch begründete Communio zurück, ordnen die successio apostolica dem Wirken des Geistes in den vielfältigen Charismen, Diensten und Ämtern ein und sehen den amtlichen Dienst auf das Wachstum des ganzen Leibes Christi in Liebe hingeordnet (Eph 4,16). Die Vielfalt von Formen, in denen die neutestamentlichen Gemeinden Leitungsstrukturen herausgebildet haben, dient nicht nur dem innergemeindlichen und gesamt-kirchlichen Zusammenhalt der Gläubigen, sondern repräsentiert auch durch die rechte Lehre und die Spendung der Sakramente die Herrschaft Jesu Christi über seine Kirche. Gleichzeitig gibt es - gerade im paulinischen Traditionskreis - eine Entwicklung, die mit innerer Folgerichtigkeit und offenkundig breitester Zustimmung schon zu Beginn des 2. Jh., spätestens seit Ignatius von Antiochien, in weiter Verbreitung diejenige Leitungsform zeigt, die dann ins dreigliedrige Amt sich hinein entwickelt. 6.3 Gemeinschaft von Gemeinschaften"Communio Sanctorum" skizziert in kurzen Strichen die historische Entwicklung in nachapostolischer Zeit. Unseres Erachtens zeigt der Passus zweierlei: Erstens gehört es zum Wesen des Kirche, dass sie Universalkirche und "Kirche vor Ort" (Gemeinde) ist. "So wenig die universale Kirche ein nachträglicher Zusammenschluss ... der einzelnen (Teil-)Kirchen ist, so wenig sind die einzelnen Teilkirchen eine nachträgliche Aufteilung der Una sancta" (CS 144). Seit den Apostolischen Vätern bilden alle Kirchen die eine Kirche und jede vom Bischof geleitete Ortskirche ist ganz Kirche; freilich ist sie es, wie "Communio Sanctorum" richtig beschreibt, nach katholischem Verständnis nicht für sich allein, sondern in eben jener Gemeinschaft mit den anderen Kirchen, die auch die Gemeinschaft mit den Bischöfen und dem Papst umfasst. Zweitens zeigt die Arbeitsgruppe, entgegen manchen heutigen Stimmen, dass es von Anfang an trotz mancher Spaltungen wirklich Kirchen-Einheit gegeben hat. Wir sehen ihr Urbild im "Apostelkonzil", wenn Paulus berichtet (Gal 2,9): "Jakobus, Kephas und Johannes, die als die ,Säulen' Ansehen genießen, gaben mir und Barnabas die Hand zum Zeichen der Gemeinschaft (Koinonia)". Diese Koinonia ist uns Vorgabe und Vorbild für jene Kirchen-Einheit, nach der wir suchen. 6.4 Der PetrusdienstWir begrüßen, dass "Communio Sanctorum" sich eingehend mit dem Petrusdienst befasst. Der Papst hat in seiner Enzyklika "Ut unum sint" von 1995, die in "Communio Sanctorum" zitiert wird (154), nicht nur auf neue Weise das katholische Verständnis des Papstamtes dargelegt, sondern auch zum ökumenischen Gespräch über die geschichtlichen Erfahrungen und die geeigneten Formen der Ausübung dieses Amtes eingeladen (Ut unum sint 88-97). Es ist ermutigend, dass in "Communio Sanctorum" das Gespräch in voller Offenheit, aber auch im Geist der Brüderlichkeit geführt wird.6.4.1 Auch wenn es hilfreich ist, vom Petrusdienst (153) zu sprechen, sollte nicht übersehen werden, dass die terminologische Differenzierung zwischen "Dienst" und "Amt" im Neuen Testament nicht begründet ist. Denn dort ist jedes Amt gegeben als Vollmacht zum Dienst in der Kirche.Nach katholischer Theologie lässt sich die Lehre vom Petrusamt nicht ohne die Lehre vom Bischofsamt entfalten, da der Papst ja als Bischof von Rom seinen Dienst an der Einheit der Kirche leistet. Manche Probleme, die sich in den späteren Diskussionen um den "Petrusdienst" zeigen, lassen sich darauf zurückführen, dass Unterschiede im katholischen und evangelisch-lutherischen Verständnis des Bischofsamtes geklärt werden müssen. Sie eigens zu diskutieren, hat "Communio Sanctorum" nicht als seine Aufgabe verstanden. Wir sehen an dieser Stelle, ohne die geleistete Arbeit im mindesten zu übersehen, noch Klärungsbedarf. Denn ein Dienst an der universalen Einheit ist für die Kirche unverzichtbar, darum ist eine Verständigung über den Petrusdienst für die Einheit der Kirchen von großer Bedeutung (vgl. CS 157).6.4.2 Wir sind dankbar, wie umfangreich und sorgfältig die Zeugnisse des Neuen Testaments über Petrus notiert werden (CS 158-163). Sowohl seiner herausragenden Rolle in der Geschichte des Urchristentum widerfährt Gerechtigkeit als auch seiner besonderen Funktion als "Kephas", "Petrus", "Fels" (oder "Stein"). Es ist gut, dass an die Klarheit erinnert wird, in der die Evangelien die Verleugnung Jesu durch Petrus erzählen, und an die Gnade, die Jesus dem Ersten seiner Jünger durch die österliche Erscheinung gewährt. Der Grundsinn sowohl des vom irdischen Jesus überlieferten Petruswortes bei Matthäus (16,18f) als auch des vom Auferstandenen überlieferten Petruswortes bei Johannes (21,15-17) wird von der Arbeitsgruppe textgemäß wiedergegeben. "Communio Sanctorum" lässt (159) die Frage offen, welches Verhältnis zwischen der Vollmacht zum Binden und Lösen besteht, die nach Mt 16,18 f dem Petrus, und derjenigen, die nach Mt 18,18 allen Jüngern (nicht je für sich, sondern in ihrer Nachfolgegemeinschaft) übertragen wird, die Matthäus in seinem Evangelium meist mit den Zwölfen identifiziert. Die katholische Ekklesiologie wird dem Miteinander beider Stellen dadurch gerecht, dass derjenige, der in der Nachfolge Petri steht, seine Vollmacht in Gemeinschaft mit den Nachfolgern der Zwölf wahrnimmt, die sie ihrerseits nur in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri ausüben können. Ob dies auf evangelischer Seite mit ihrem Verständnis des Petrusdienstes verbunden werden kann, bleibt in künftigen Gesprächen zu klären. Wir stimmen ausdrücklich dem Resümee zu, das "Communio Sanctorum" aus der Beschreibung des biblischen Befundes zieht (CS 163). Erstens: Der Dienst des Petrus als "Fels" ist, wie schon die Väter vielfach gedeutet haben, untrennbar mit seinem Bekenntnis zu Jesus Christus verbunden. Zweitens: "Die frühe Kirche hat mit der Gestalt des Petrus Funktionen eines Lehr- und Hirtendienstes verbunden, die sich auf die Gesamtheit der Gemeinden beziehen und in besonderem Maße ihrer Einheit dienen" (CS 163). Wir sehen in dem so beschriebenen Schriftzeugnis einen Maßstab aufgerichtet, an dem die Kirche sich zu messen hat. 6.4.3 Das Kapitel über die "Ausprägungen des Petrusdienstes in der Theologie- und Kirchengeschichte" (CS 164-175) haben wir an dieser Stelle im Hinblick auf die fachwissenschaftliche Diskussion nicht zu bewerten. Wir sehen die vielschichtige Entwicklung so, dass der im Neuen Testament vorgegebene, mit der Person des Petrus verbundene Dienst des verständlichen und verbindlichen Lehrens für die ganze Kirche schrittweise verwirklicht wurde unter kirchengeschichtlichen Voraussetzungen und historischen Notwendigkeiten; zu ihnen gehörte, dass Rom Hauptstadt des Imperiums und Ort des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus war. Die Geschichte des Papsttums bleibt eine Mahnung und ein Ansporn, das Amt des Petrus im Dienst der ganzen Kirche so auszuüben, wie dies Mt 16,18 und Joh 21,15-17 entspricht. Dies ist nach unserem Urteil in Lumen Gentium verwirklicht, insofern dort sowohl die Einbindung des Papstes in das Kollegium der Bischöfe als auch seine unveräußerliche und unvertretbar eigene Lehrautorität als Nachfolger Petri betont wird, dem sich der Jurisdiktionsprimat zuordnet, den er für die ganze Kirche beansprucht. 6.4.4 Die "Kritik der Reformatoren am Papsttum" (CSW 176-180) wird von "Communio Sanctorum" unseres Erachtens in einer Weise vorgetragen, dass sowohl die eigentlichen Anliegen der Reformation als auch die zeitbedingten polemischen Übertreibungen der Papstkritik deutlich werden. Über viele Kritikpunkte, wie z. B. die politische Macht des Papsttums, ist die Zeit hinweggegangen. Im Kern bleibt die Frage nach der Legitimität und Autorität eines gesamtkirchlichen Lehr- und Leitungsamtes und seiner Einbindung in die ganze Communio Sanctorum. Mit Respekt haben wir die sich an die Reformatoren anschließenden ausführlichen und differenzierten "Evangelische(n) Fragestellungen und Überlegungen heute" zur Kenntnis genommen (CS 181-192). Sie zeigen, dass beim Thema "Papst" noch einmal die Grundfragen der Ekklesiologie zu erörtern und die Antworten auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen sind. Wir sind uns einig, dass die Art und Weise, wie die letzten Päpste ihr Amt wahrgenommen haben, für unsere Zeit dessen Charakteristika besonders deutlich macht (CS 183). Wir wissen die Überlegung zu schätzen, ob es nicht auch in der Konsequenz lutherischer Lehre stünde, einen gesamtkirchlichen "Petrusdienst" für angemessen zu halten und ihn in Rom zu lokalisieren (CS 189.191.194). Wir sehen, dass die Bedenken gegenüber dem Jurisdiktionsprimat und dem Unfehlbarkeitsanspruch (CS 181) der reformatorischen Sorge geschuldet sind, dass die Freiheit des Gewissens eingeschränkt und die kriterielle Bedeutung der Heiligen Schrift relativiert werde. Die Intention, das Gewissen der Glaubenden zu stärken, das Charisma aller Christenmenschen zu fördern und die Communio-Ekklesiologie auch in den kirchlichen Leitungsstrukturen zur Auswirkung kommen zu lassen, entspricht dem Neuen Testament. Es ist nicht unsere Aufgabe, Aussagen zu treffen, die in das Recht des Papstes selbst eingreifen, sein Amt auszuüben. Die (schon in CS 67 angesprochene) "Unfehlbarkeit (infallibilitas)" päpstlicher und episkopaler Lehre, wie sie auf dem Ersten und Zweiten Vatikanischen Konzil beschrieben worden ist, verstehen wir als einen vom Geist gewirkten Ausdruck der Verheißung Jesu, der zu den Konstitutiva des kirchlichen Lehr- und Leitungsamtes gehört und seine pastorale und kerygmatische Ausrichtung hervortreten lässt. Der Jurisdiktionsprimat ist ein notwendiges und hilfreiches Instrument, in entscheidenden Fragen der Glaubens- und Sittenlehre die Verbindlichkeit des Evangeliums zur Geltung zu bringen und die Sicherheit des Christenvolkes im Glauben zu fördern. Aufgrund unseres Glaubens an die Verheißung Jesu kennen wir keine Appellationsinstanz gegen eine ex cathedra verkündigte Lehrentscheidung des Papstes, der in seiner Lehre auf das im Wort der Heiligen Schrift bezeugte Wort Gottes verpflichtet ist und in der Vollmacht Christi für die ganze Kirche spricht. 6.5 Gemeinsame Positionen und offene FragenDer besondere Schwierigkeitsgrad der in Kapitel VI des Dokumentes behandelten Fragen liegt auf der Hand. Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe ist für ihren Mut zu danken, Neuland betreten zu haben. Es war nicht zu erwarten, dass die Probleme schon im ersten Anlauf gelöst werden konnten. Die ökumenischen Gemeinsamkeiten auch auf diesen Themengebieten sind groß, wenn auf der evangelischen Seite die evangelischen Positionen Zustimmung finden, die "Communio Sanctorum" beschreibt. Wir sehen vor allem die substantiellen Übereinstimmungen in der Auslegung der Heiligen Schrift. Wir können die Fülle der Aussagen nicht allesamt bewerten, sondern konzentrieren uns auf drei aus unserer Sicht wesentliche Themen. 6.5.1 Gemeinsames Priestertum und Priestertum des DienstesWährend in "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" die Frage der Verhältnisbestimmung zwischen dem gemeinsamen resp. allgemeinen Priestertum und dem Priestertum des Dienstes als eine "noch nicht zureichend geklärte Frage" bezeichnet worden war (KWS 61), führt "Communio Sanctorum" - wie auch "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" - einen Schritt weiter. Die Stellungnahmen sowohl der VELKD als auch des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes betonen (LViG 142) mit der Confessio Augustana, das ordinationsgebundene Amt habe seinen Grund im "Verkündigungsauftrag Jesu Christi selbst" (CA 5), zu dem, wer es ausüben solle, "im Auftrage Jesu Christi von der Kirche berufen, gesegnet und gesandt wird" (CA 14). "Communio Sanctorum" macht sich für die evangelische Theologie diese Sicht zu eigen. Damit kann ein ökumenischer Fortschritt erzielt werden, wenn es zu einer entsprechenden Praxis kommt. Umgekehrt erlaubt es die vom Neuen Testament inspirierte Communio-Ekklesiologie des Zweiten Vatikanum der katholischen Theologie, das Verhältnis zwischen dem gemeinsamen Amt aller Glaubenden und dem Weiheamt, das sichtbar macht, dass Jesus Christus das Haupt und der Herr der Kirche ist, genau zu bestimmen, sodass frühere Missverständnisse oder Unklarheiten, die häufig das ökumenische Gespräch belastet haben, ausgeräumt werden. 6.5.2 Charisma, Dienst und AmtWir haben die positive Sicht bestätigt, die in der katholischen Ekklesiologie der Vielzahl der Charismen und Dienste in der Kirche und in den Gemeinden gebührt. Die Vielzahl der im Neuen Testament bezeugten Leitungsformen ist in ihrer Ausrichtung auf die Koinonia der Glaubenden mit Christus und untereinander zu sehen. Im Übergang von der apostolischen zur nachapostolischen Zeit ergab sich eine Konvergenz zum dreigliedrigen Amt. Deshalb sehen wir auch nach "Communio Sanctorum" Gesprächsbedarf, wie das zu Beginn des 2. Jh. dreigegliederte Amt im Lichte der Schrift zu bewerten ist. Aus katholischer Sicht ist es eine verbindliche Tradition, weil sie auf differenzierte Weise der Herrschaft Jesu Christi über seiner Kirche, seiner Gegenwart in ihr und seiner Weggenossenschaft mit ihr entspricht. Durch das Zweite Vatikanum sehen wir deutlich, wie der sakramentale Ordo zum Ganzen der Kirche gehört. Die geschichtlichen Gefahren, das Amt einseitig so zu betonen, dass darüber die Vielfalt der Geistesgaben Schaden nimmt, stehen uns deutlich vor Augen. Doch tangiert dies nicht das Wesen des kirchlichen Amtes, sondern ist nach unserem Urteil eine Mahnung, das Amt stiftungsgemäß auszuüben.6.5.3 PetrusdienstDie katholischen Mitglieder der Arbeitsgruppe sehen es "für eine Einigung bezüglich des Papstamtes" als "erforderlich, aber auch hinreichend" an, wenn anerkannt wird, dass (1.) das "Amt der universalkirchlichen Verantwortung für die Einheit der Glaubenden in der Wahrheit des Evangeliums" in der Nachfolge Petri zu den "wesentlichen und daher unaufgebbaren Strukturen der Kirche" gehört, dass es (2.) "seinem Kern nach geschichtlich verwirklicht ist in Person und Aufgabenstellung des Bischofs von Rom" und dass (3.) zum Kern des Amtes "vor allem jene letztverbindliche Leitungs- und Lehrkompetenz" gehört, "ohne welche der Amtsträger die ihm anvertraute Sorge für die Einheit der Kirche in der Wahrheit des Evangeliums nicht wirksam wahrnehmen könnte". Wir stellen fest, dass damit die wesentlichen Elemente des päpstlichen Primates genannt sind.7. Gemeinschaft der Heiligen - über den Tod hinausWir sind dankbar, dass die bilaterale Arbeitsgruppe zum Schluss ihrer Studie das wichtige Thema der Gemeinschaft von Lebenden und Toten, die Rolle der Heiligen im katholischen Glauben und - wie es die Anregung der VELKD war - ebenso auch die Bedeutung der Gottesmutter Maria nicht nur für die Frömmigkeit der Kirche, sondern vor allem im Heilsplan Gottes behandelt. "Communio Sanctorum" räumt eine Vielzahl von offenkundigen Missverständnissen aus dem Wege, die das Verhältnis der Konfessionen belastet haben. Wir stimmen den Darlegungen zum "ewigen Leben in der vollendeten Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott" zu (CS 201-222). Gerade die Erfassung des Schriftsinnes schafft eine tragfähige Basis, um bisweilen noch vorherrschende Kontroversen zu lösen.Erfreulich sind die Klarstellungen zum "Gebet für Verstorbene" (CS 223-228). Wir erinnern daran, dass die Bitte für Verstorbene aus dem Bewusstsein des Betens mit den Märtyrern entstanden ist. Wie man für Büßer beten kann, solange sie leben, so kann man unseres Erachtens auch für sie beten, wenn sie gestorben ist. Es können Gefahren aus gewissen populären Vorstellungen vom Fegefeuer und vor allem aus dem Missbrauch eines Ablasses entstehen. Der positive Gedanke der im Mittelalter sich ausformenden Fegefeuer-Vorstellung ist, dass den Gestorbenen von Gott die Möglichkeit geschenkt wird, ihren letzten inneren Widerstand gegen ihn zu überwinden, und dass es auch darin zur Gebetsgemeinschaft von Toten und Lebenden kommen kann. Aus dieser Fürbitte für die Toten ist der Ablass erwachsen; recht verstanden ist er kein Missbrauch, den es abzuschaffen gälte, sondern eine Frömmigkeitsübung, die es zu klären, zu läutern und dann zu fördern gilt. Wir begrüßen die substantiellen Ausführungen zur "Verehrung der Heiligen" (CS 229-252) und dass es beiden Seiten möglich gewesen ist, mit einem Zitat aus der "Apologie" zu sagen (CS 230), "dass man die Heiligen ehren soll" (Apol. 21,4 BSLK 317 f). Die Heiligenverehrung stellt nicht die "einzige Mittlerschaft Jesu Christi" (CS 231) in Frage, die vielmehr mit 1 Tim 2,5 feststeht. Sie ist eine Form, in der wir diese Heilsmittlerschaft unseres Herrn und Heilandes preisen. Wir ehren Gott und seinen Sohn in den Heiligen. Doch ist mit aller Deutlichkeit festzustellen, dass schon nach dem 2. Konzil von Nizäa und auch nach dem Konzil von Trient die Verehrung (dulia, veneratio) - nicht Anbetung (latria, adoratio) - der Heiligen für gut und nützlich (bonum et utile), nicht aber als heilsnotwendig erklärt wird. Die Anrufung der Heiligen ist nicht ihre Anbetung, sondern die Bitte um ihr Gebet mit uns und für uns. Es ist richtig und notwendig, dass in einer Studie zur Gemeinschaft der Heiligen eingehend über Maria gesprochen wird (CS 253-268). Freilich wird hier von der Studie das reiche Zeugnis der Schrift nur kurz gestreift. Insbesondere fehlt das johanneische Zeugnis, das mit der Rolle Marias beim Weinwunder zu Kana als Fürbitterin für die Menschen und Mittlerin des Heilswirkens Jesu (Joh 2,4: "Sie haben keinen Wein" - Joh 2,5: "Was er sagt, das tut!") und bei der Kreuzigung als Urbild der hörenden, schauenden und Gemeinschaft erfahrenden Kirche (Joh 19,25ff: "Frau, siehe dein Sohn!" - "Siehe deine Mutter!") die wichtigsten Anknüpfungspunkte für die spätere schriftgemäße Entfaltung der Mariologie liefert. Gleichwohl werden die Grundzüge katholischer Mariologie gut wiedergegeben. Gewiss gibt es Auswüchse marianischer Frömmigkeit. Wir teilen die Kritik, die auch Papst Paul VI. an derartigen Fehlformen geübt hat. Die von evangelischer Seite vielfach kritisierten Dogmen der Unbefleckten Empfängnis und der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel werden in "Communio Sanctorum" (CS 259-260) richtig dargestellt und als Ergebnis "aus dem meditierenden Nachdenken der Kirche" über das Geheimnis der Erlösung interpretiert. Sie sind Ausdruck des Glaubens an die alles überwindende Gnadenmacht Gottes und der Hoffnung aller Berufenen auf Anteilhabe an der ewigen Herrlichkeit (vgl. CS 265). Die evangelischen Christen bleiben gefragt, wie sie die Marienfrömmigkeit, die noch bei Luther groß war, heute fördern wollen. Wie "Communio Sanctorum" es fordert, muss man von Maria so sprechen, dass sie klar auf die Seite der Geschöpfe, der Glaubenden und Begnadeten gehört, aber ebenso in ihrer einzigartigen Bedeutung im Heilsplan Gottes gesehen wird, wie es das Magnifikat ausdrückt: "Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter" (Lk 1,48). In der Orientierung am mariologischen Kapitel vom Lumen Gentium sehen wir dieses Postulat erfüllt. Wenn die katholische Theologie und Frömmigkeit von Maria als Mittlerin und Fürsprecherin spricht, dann mindert das nicht die einzige universale Heilsmittlerschaft Jesu Christi. Vielmehr ergibt sich die Rolle Marias als Mittlerin und Fürsprecherin aus einer von Christus geschenkten Teilhabe an seiner universalen Heilsmittlerschaft.Wenn die evangelische Lehre zur Gemeinschaft von Lebenden und Toten sowie zur Verehrung der Heiligen dem entspricht, was in "Communio Sanctorum" ausgeführt ist, sehen wir in den konfessionellen Differenzen, die nicht zu leugnen sind, keinen kirchentrennenden Grund. Hinsichtlich der Mariendogmen stellt sich die Frage, ob die Interpretation von "Communio Sanctorum" Zustimmung findet. 8. Gesamtwürdigung"Communio Sanctorum" erweitert das Feld ökumenischer Gemeinsamkeiten. Es trägt einigen Charakteristika katholischen und evangelischen Glaubens Rechnung. Die bilaterale Arbeitsgruppe hat nicht nach Formelkompromissen, sondern nach einem - möglich weitreichend gemeinsamen - Verständnis in der Sache gesucht. Wir sehen, dass die ökumenische Diskussion in einer ganzen Reihe von Problemfeldern vorangekommen ist, die wir im Anschluss an "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" benannt haben. Das betrifft die Verhältnisbestimmung "zwischen der sichtbaren institutionellen Gestalt und dem verborgenen, nur im Glauben erfassbaren geistlichen Wesen der Kirche" (Arbeitshilfen 59, 14), zwischen der Kirchengemeinschaft und der Christusgemeinschaft (ebd. 15) sowie zwischen dem Gotteswort und dem Menschenwort einschließlich der Inspiration der Heiligen Schrift (ebd. 18). Die größten Fortschritte erkennen wir in dem, was gemeinsam zum Verständnis der Kirche als Communio, zum Schriftverständnis und zur Schriftauslegung, zur Rechtfertigung aus Gnade und zur Gemeinschaft von Lebenden und Toten gesagt worden ist. Wir schätzen das ernste Bemühen der evangelischen Seite, ohne Abstriche an den Grundeinsichten der Reformation Zugänge zu als typisch katholisch geltenden Themen wie dem Papsttum und der Mariologie zu finden. Wir würdigen ebenso das Bemühen der katholischen Mitglieder der Arbeitsgruppe, sich den Einwänden und Anfragen der Lutheraner zu öffnen und die katholische Lehre ohne Substanzverlust so zu formulieren, dass sie im ökumenischen Dialog bereichert wird. Wir sehen allerdings auch an einer Reihe von Stellen noch weiteren Gesprächsbedarf, der das erzielte, wertvolle Ergebnis der Studie nicht schmälert.Eine notwendige Weiterarbeit betrifft das Verständnis der Apostolizität der Kirche auch im Hinblick auf die Entwicklung von Diensten und Ämtern in nachapostolischer Zeit und die apostolica successio. Nach "Kirche und Rechtfertigung", "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" und "Communio Sanctorum" erhoffen wir bei diesem Thema eine Überwindung des Glaubensdissenses. Dazu sind genauere Begriffsbestimmungen und Reflexionen, als sie im vorliegenden Dokument geleistet werden, nötig, die in der Praxis ihren Niederschlag finden müssen.Weiterer Erörterungen bedarf die Bedeutung des Lehramtes im Beziehungsgefüge der "Bezeugungsinstanzen". Nach katholischem Verständnis ist es eine Wirkung der Verheißung Jesu, dass berufene Lehrer, die in der Nachfolge der Apostel stehen, in der Kirche und für sie die Wahrheit des Evangeliums bezeugen können, die der ganzen Kirche anvertraut ist und im Glaubenssinn der Gläubigen erfasst wird. Durch die Betonung des kirchlichen Lehramtes, das durch die Bischöfe wahrgenommen wird, wird die Bedeutung der anderen Bezeugungsinstanzen nicht relativiert. Die evangelische Seite müssen wir fragen, wie sie die Vollmacht verbindlichen Lehrens in der Kirche versteht, wem sie anvertraut ist und welche Beziehung aus ihrer Sicht zwischen der kirchlichen Lehre und dem kirchlichen Amt besteht. Wenn eine Antwort in der Perspektive von "Communio Sanctorum" gegeben wird, sehen wir die Möglichkeit einer noch weiter gehenden Verständigung im ökumenischen Gespräch.Das Lehramt kann nur im Zusammenhang der gesamten Theologie vom geistlichen Amt bzw. dem Weihesakrament diskutiert werden, die von "Communio Sanctorum" nicht ausführlich erörtert wird. Das Amt ist ein "notwendiger Dienst am heilsnotwendigen Evangelium" (Kirche und Rechtfertigung 196; CS 193). "Communio Sanctorum" gibt die katholische Lehre richtig wieder, dass das in apostolischer Sukzession stehende Bischofs- und Papstamt konstitutiv für die Einheit der Kirche ist. Wie sich die evangelische Seite zu dieser wesentlichen Position katholischer Theologie verhält, hat "Communio Sanctorum" noch nicht abschließend geklärt. Wir sehen, dass beim Thema des Petrusdienstes durch die Studien der bilateralen Arbeitsgruppe die entscheidenden Positionen und Anfragen genannt sind und erhoffen von evangelischer Seite eine verbindliche Auskunft, inwieweit sie sich zu eigen machen können, was "Communio Sanctorum" als gemeinsame evangelische und katholische Aussage bezeichnet (CS 195-200). Weitere Studien sind nötig. "Communio Sanctorum" zeigt erstmals die Möglichkeit einer Annäherung.Die Unterschiede in der Zahl der Sakramente und die darin zu Tage tretenden Unterschiede im Verständnis der spezifischen Heilswirksamkeit der verschiedenen Sakramente konnten auch durch "Communio Sanctorum" nicht ausgeräumt werden und bedürfen eingehender weiterer Studien. Wir verweisen auf unsere Stellungnahme zu "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" (Die deutschen Bischöfe 52, 12-20), in der wir unsere Auffassung dargelegt haben. Aufgrund der wesentlichen Annäherungen im christologisch-pneumatologischen Grundverständnis der Sakramente und nach der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" stellt sich die Frage neu, wie der kirchentrennende Charakter der Lehrunterschiede im Verständnis und in der Zahl der Sakramente überwunden werden kann. Das Verständnis der Sakramente steht in unlöslichem Zusammenhang mit dem Verständnis der Kirche. Die Kirche kann nur Sakramente spenden, weil sie selbst Sakrament ist.Wir regen weitere Studien zu den noch offenen Fragen in der bewährten Form bilateraler Arbeitsgruppen an und erklären unsere Bereitschaft zur Mitarbeit. Wir wissen uns dem Ziel voller Kirchengemeinschaft verpflichtet (vgl. CS 269). Wir hoffen, dass auch in der Rezeption von "Communio Sanctorum" der Geist der ökumenischen Verständigung wirksam wird, der uns in den letzten Jahrzehnten den Weg der Wahrheit des Evangeliums gewiesen hat. Freising, den 11. März 2003 Anmerkungen:1 Schlussdokument der außerordentlichen Bischofssynode 1985, C.1 = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 68, 13.2 Vgl. Stellungnahme vom 26. Mai 1987, in: Ökumenischer Dialog über "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" = Arbeitshilfen 59, 9-27.3 Vgl. Das Herrenmahl, Paderborn - Frankfurt 1978; Das geistliche Amt in der Kirche, Paderborn - Frankfurt 1981.4 Lehrverurteilungen - kirchentrennend? I: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute, hg. von K. Lehmann und W. Pannenberg, Freiburg - Göttingen 1986 = Dialog der Kirchen 4.5 Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur Studie "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", Bonn 1994 = Die deutschen Bischöfe 52.6 Vgl. Bischof Karl Lehmann, Einig im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft? Erfahrungen und Lehren im Blick auf die gegenwärtige Situation, 21. September 1998, in: Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz 19, 7-34.7 Vgl. Anm. 1 und Zukunft aus der Kraft des Konzils. Die außerordentliche Bischofssynode '85. Die Dokumente mit einem Kommentar von Walter Kasper, Freiburg - Basel - Wien 1986.8 Vgl. Päpstliche Bibelkommission, Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel 24. Mai 2001, Bonn 2002 = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 152.9 Vgl. Päpstliche Bibelkommission, Die Interpretation der Bibel in der Kirche, Bonn 1993 = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 115.10 Vgl. Th. Schneider- G. Wenz (Hg.), Gerecht und Sünder zugleich? Ökumenische Klärungen, Freiburg - Göttingen 2001 (= Dialog der Kirchen 11).11 Paul VI., Apostolisches Schreiben "Marialis cultus" über die Marienverehrung v. 2.2.1974 38 In: Nachkonziliare Dokumentation 45, Trier 1975, 89.12 Vgl. Evangelischer Erwachsenen Katechismus der VELKD (Hg.), Gütersloh 6. Auflage 2000, 212 f.