| Pressemeldung | Nr. 053
Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2023 der Deutschen Bischofskonferenz
Andreas Steinhöfel und Melanie Garanin erhalten den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2023 der Deutschen Bischofskonferenz für das im Carlsen Verlag erschienene Buch Völlig meschugge?!. Die Jury unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat das diesjährige Preisbuch aus 177 Titeln ausgewählt, die von 67 Verlagen eingereicht wurden.
Charly, Benny und Hamid gehen in eine Klasse und sind unzertrennliche Freunde. Kurz vor seinem Tod verrät Opa Benny, dass er Jude ist und vererbt ihm eine Kette mit Davidstern-Anhänger. Hamid ist Muslim und musste mit seiner Familie aus Syrien fliehen. Zwischen Hamid und Benny entfacht sich ein Konflikt, der immer weitere Kreise in der Schule zieht. Gestohlene Handys und verfeindete Gruppen heizen die Eskalation an, und so finden sich die drei Freunde bald in einem Strudel von Gewalt und Ausgrenzung, während Lehrkräfte und Eltern rat- und ahnungslos sind. Einzig Charly kann die Freunde versöhnen, sie vermittelt und schlichtet. Das Preisbuch in der Form einer Graphic Novel ist eine Freundschaftsgeschichte, die zeigt, „wie schnell tradierte Vorurteile von Kindern und Jugendlichen übernommen werden und unbedingt Begleitung und Einordnung bedürfen“, so Weihbischof Brahm. Die Jury empfiehlt das Buch für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren.
Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis wird in diesem Jahr zum 34. Mal vergeben und ist mit 5.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet am 25. Mai 2023 im Augustinerkloster in Erfurt mit Bischof Ulrich Neymeyr statt. Der Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises gehören neben Weihbischof Robert Brahm an: Dr. Agnes Blümer (Bonn), Prof. Dr. Norbert Brieden (Wuppertal), Marlene Fritsch (Trier), Kerstin Fuchs (Wiesbaden), Dr. Theresa Kohlmeyer (Essen), Bettina Kraemer (Bonn), Dr. Heidi Lexe (Wien), Dr. Claudia Maria Pecher (München) und Prof. Dr. Markus Tomberg (Fulda).
Jurybegründung:
Als Lehnwort aus dem Jiddischen hat sich meschugge im Deutschen als Bezeichnung für „verrückt, nicht bei Verstand sein“ etabliert. Dabei schwingt stets ein humoristisches Moment mit und entspricht dem Ton, den die Ich-Erzählerin Charly anschlägt. Vorwitzig kommentiert sie die Ereignisse und macht keinen Hehl daraus, dass der Schlamassel, in den ihre beiden Freunde Benny und Hamid geraten sind, beträchtlich ist. Ihr kommt es zu, für Ausgleich und Versöhnung zu sorgen.
Die erzählerisch verknüpften Episoden führen mitten hinein in einen Alltag, wie er den kindlichen und jugendlichen Leserinnen und Lesern nur allzu vertraut ist. Zum gesellschaftlichen Mikrokosmos wird die Kleinstadt, in der Charly, Benny und Hamid leben, durch jene Ereignisse, die auf unterschiedlichen Ebenen in eine Vergewisserung religiöser Identität münden und religiöse Überzeugungen darstellen.
Eigentlich haben die drei Freunde Charly, Benny und Hamid sich bisher nur durch ihre Interessen voneinander unterschieden: Charly ist überzeugte Veganerin und Umweltschützerin, Benny favorisiert Höhlenforschung und Basketball, Hamid das Zeichnen. Als jedoch Bennys Opa stirbt, macht Benny dessen Kette mit dem Davidstern zu einem Zeichen seiner Erinnerung und Verbundenheit. Er ahnt nicht, dass er damit Vorurteile aufruft, die ihren Niederschlag in zunehmend rassistischen Haltungen (und Handlungen) innerhalb der Schule finden. Damit nicht genug, liest auch Hamid Bennys explizierte religiöse Zuordnung als Abgrenzung und lässt sich in seiner Verunsicherung zunehmend von seinem älteren Bruder beeinflussen. Der wiederum findet in der Community syrischer Flüchtlinge seine Selbstvergewisserung durch kulturell aufgeladene, radikal-konservative Deutungen des Islam.
Sowohl Benny als auch Hamid wird eine erwachsene Figur zur Seite gestellt, die religiöse Ansichten und Einsichten begleitet: Bei Hamid ist es ein Imam, der das friedvolle und integrative Moment der Religion repräsentiert; bei Benny ist es eine alte Frau, die er am Friedhof kennenlernt, und die auf die Unabdingbarkeit deutscher Erinnerungskultur verweist.
Wortwörtlich zwischen den beiden steht die selbstbewusste Charly. Allen Einflüssen zum Trotz glaubt sie an die tiefe Freundschaft, die entgegen aller Symbolik und Stereotype Bestand hatte, und hofft auf eine Versöhnung der Freunde. Ihre Handlungskompetenz lenkt den Blick darauf, dass gesellschaftliche Mechanismen in Gang kommen, die von den Kindern und Jugendlichen (noch) gar nicht verstanden, im Sinne eines kulturellen, pseudo-moralischen Nachahmens aber angewandt werden. Das Eigene vermag dabei nur in Abgrenzung zum Anderen oder Fremden als identitätsstiftend begriffen werden. Dass nur das Wissen Voneinander zu einem sinnstiftenden Miteinander führt, ist der Graphic Novel als Erkenntnisprozess eingeschrieben.
Zum Autor:
Andreas Steinhöfel, Jg. 1962, Studium der Anglistik, Amerikanistik und Medienwissenschaften. Er arbeitet als Übersetzer und schreibt Kinder- und Jugendbücher sowie Drehbücher. Andreas Steinhöfel lebt heute in Biedenkopf und ist als Produzent für Kinderfilme in seiner Firma sad ORIGAMI tätig.
Zur Illustratorin:
Melanie Garanin, Jg. 1972, studierte in Potsdam-Babelsberg Zeichentrickfilm und ist heute freiberufliche Illustratorin und Comiczeichnerin. Sie lebt in der Nähe von Berlin.
Hinweise:
- Zum Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz erscheint Anfang April 2023 die Arbeitshilfe Nr. 337 Preisbuch 2023 und empfohlene Bücher mit ausführlichen Rezensionen aller Titel sowie ein Preisträgerplakat 2023 im Format DIN A2. Beides kann dann auch in der Rubrik Veröffentlichungen bestellt oder als PDF-Datei heruntergeladen werden.
- Informationen zur Jury und zur Geschichte des Preises sowie alle Siegertitel inklusive Jurybegründungen seit 1979 finden Sie auf der Seite „Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis“ (Rubrik Themen/Auszeichnungen der Deutschen Bischofskonferenz).
- Fotos des Preisbuchcovers sowie der Preisträger stehen zum Herunterladen in der Bildergalerie dieser Pressemitteilung zu Verfügung. Bitte beachten Sie das jeweilige Copyright.
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